Sonntag, 14. Mai 2017

Vielleicht hat Jürgen auch ein wenig mehr an Ruhe gebraucht

Es gibt immer einen Auslöser und dazu auch einen Grund

Gestern sagte Jürgen, als wir am Samstag mal ganz alleine bei den Pferden waren, er hätte auch einfach mal wieder Ruhe gebraucht.

Als ich am Freitag davor vorgeschlagen habe, dass wir zwei mal ganz alleine mit Prima und Chiwa was tun sollten, wovon diese Fotos hier stammen, hatte ich eigentlich das gleiche Gefühl, ich habe es nur vom Kopf her nicht zugelassen. Gefühlt habe ich das auch, aber denken wollen habe ich das nicht.

Vieles im Leben braucht seine Zeit und auch seinen Raum. Dazu gehört auch Intimität und Ruhe in einer Atmosphäre mit den Menschen, die man als das bezeichnet, was man Familie nennt, wozu auch oft dann die Familienhaustiere gehören.



Tja .. manchmal ist Geselligkeit schön, aber Jürgen und ich gehören beide vom Typ her eher zu den Familienmenschen und brauchen auch eine gewisse Portion Intimität, so würde ich das mal ausdrücken wollen.

Und gerade die Zeit bei unseren Pferden ist eine, wo wir zwei uns von der oft ziemlich nervenaufreigenden Arbeit als Texter erholen und die Seele baumeln lassen können, um so wieder Kraft aufzutanken.

Auch wenn wir beide den früher mal engen Kontakt zu unseren Ursprungsfamilien - sprich Kindern und Enkeln - oft vermissen, ein Zuviel an Geselligkeit gleicht das aber nicht aus, denn das ist eben nicht das gleiche, weil Familie einfach etwas anderes ist als ab und zu durchaus schöne gesellige Stunden mit Freunden, Nachbarn und Bekannten. Ein Freundeskreis ist nämlich niemals so intim wie ein Familienkreis und bringt immer eine gewisse Anspannung mit sich statt der Ruhe, die normalerweise das Zusammensein in einer ganz intimen Lebensgemeinschaft mit sich bringt.

Ich empfinde mich als eher hektisch, wenn ich in Gesellschaft bin. Ich bin ganz anders, wenn ich nur mit meinen Familienmitgliedern und Haustieren zusammen bin. Und der Jürgen ist mir da sehr ähnlich. Wenn das nicht so wäre, wäre er sicher auch nicht mein neuer Ehemann geworden, also ein neues Familienmitglied.
In den vergangenen Monaten war von Ruhe bei den Pferden nicht mehr viel vorhanden.

Das war an keinem Wochenende mehr der Fall und in den allerletzten Monaten dann auch in der Woche nicht mehr.

Vielleicht hat das nicht nur den Pferden die nötige Entspannung genommen, die langsam bei ihnen wieder anfängt, sich auszubreiten, sondern was den Pferden wohl nichts ausgemacht hat, auch schon lange vorher meinem Mann, der noch mehr als ich ab und zu einfach eine gewisse Stille um sich braucht, ohne um echte oder gar einfach nur .. wie soll ich das ausdrücken .. fast gewollte Scheinprobleme diskutieren zu müssen.

Er hat das Thema mir gegenüber schon lange oft angesprochen.
Eine unserer Freundinnen wurde ihm in der Häufigkeit, in der sie uns gern um sich hatte, einfach zu viel. Das war deshalb so, denn Jürgen hat mir das ja oft erklärt, weil er es als Stress emfunden hat, dass zu viel Sonne, Regenwolken, Wind, Kälte, Hitze, Schnee oder die immer wieder aufflackernde Sinnlos-Diskussion um eine in unserem Augen gar nicht vorhandene Ausländerproblematik in Deutschland jedes Zusammensein für ihn in Stress verwandelt haben.

Ich habe das immer runtergespielt und gesagt, sie braucht uns doch, sie hat doch sonst niemand.

Ich habe dabei übersehen, dass mein Mann mich auch gebraucht hat, und dass mein Mann ein hohes Maß an Entspannung und Ruhe braucht, wenn er mit der Arbeit fertig ist, die alles, aber nicht einfach ist.
Gerade eben habe ich einen Text über Logistik von ihm Korrektur gelesen. Das ist ein Stammkunde von ihm mit einem irre komplizierten Thema.

Ich kenne das im Prinzip von meinen eigenen Kunden und teils ja genauso wenig einfachen Themengebieten, mit denen ich mich bei der Arbeit auseinandersetzen muss.

Es ist für mich danach oft einfach herrlich, die Ruhe bei Prima und Chiwa zu erleben, die nur wirklich da ist, wenn wir zwei auch alleine bei ihnen rumwuseln. Nur dann höre ich auch die Vögel singen, die Grillen zirpen, die Frösche quaken oder die Pferde ihr Heu durchschroten. Nur dann kann ich genießen, ihr weiches Fell durchzustriegeln und sie zu kraulen.

Nur wenn ich wirklich mit Jürgen für mich bin, nehme ich diesen Frieden wirklich in vollem Umfang wahr, den unser kleines Paradies für uns als Freizeitfleck zum Ausgleich für unseren oft sehr stressigen Job bereithält.

Das heißt zwar nicht, dass ab und zu Geselligkeit nicht toll wäre, mal klönen, Kaffeeklatsch machen oder abends bei den Hoppas zusammensitzen ist schön.

Aber besonders wenn das zu viel wird und wenn man so auch ständig mit den depressiven Verstimmungen von jemand konfrontiert wird, die sicher gar nichts dafür kann, dass sie Depressionen hat .. das kann auch zu viel werden.

Für Jürgen war das und auch schon davor die zusätzliche Hektik definitiv zu viel.
In einer Facebook-Diskussion, die dann mal wieder das leidige politische Thema "Die Ausländer sind ja an allem schuld" zum Thema hatte und auch noch zu einem Streit zwischen unserer Dauerfreundin und einer Facebook-Freundin führte, die definitiv eine Meinung hatte, die auch unsere eigene ist, hat es dann bei Jürgen geknallt.

Er hat unserer Freundin zwar nicht direkt die Freundschaft gekündigt, aber gesagt, er braucht erstmal eine Pause.

Das war der Auslöser. Den Grund habe ich eben versucht zu erklären, denn ich kannte diesen Grund schon lange und hab da wohl auch zu wenig Rücksicht auf die Gefühle meines Mannes genommen und selbst meine eigenen aus Rücksichtnahme monatelang unterdrückt. Ist halt meine Art, denn ich kann mich schlecht abgrenzen, auch wenn mich mal Luft brauche.

Auch in dieser Beziehung ist mir Jürgen übrigens ähnlich. Aber nun hat er sich mal abgegrenzt und wir sind momentan mal eine Weile eher für uns deshalb.

Was bleibt bei sowas, ist oft ein gewisses schlechtes Gewissen ... wir sind eben beide so erzogen worden, sozial und nett zu sein und mal nein sagen gehört eben nicht zu den Nettigkeiten.





Dass an den Problemen, in denen momentan die Gesellschaft der ganzen Welt steckt, nicht die "achso bösen Flüchtlinge", sondern der Beginn der digitalen Weltrevolution schuld ist, an der Jürgen und ich als welche der ersten digitalen Arbeiter mit unserem Job als Crowdworker und Texter ja bereits teilhaben und das auch in gewisser Weise miterleben und so vielleicht ein bisschen besser beurteilen können, es wäre unmöglich, das unserer Wochenendfreundin begreiflich zu machen, der dazu einfach die nötige Ausbildung fehlt. Sie würde und wird es nicht verstehen, egal wie viel Jürgen und ich erklären und reden werden ... na ja .. mal sehen, was aus dieser Sache langfristig werden wird.

Wir haben uns früher viel geschrieben, diese Frau und ich, wir tun es auch noch immer und mein Mann ist auch kein Unmensch, wird sich aber vermutlich nicht nochmal so heftig in seinem Ruhebedürfnis stören lassen wie in den letzten Monaten, da bin ich sicher.

Es wird sich sicher irgendein Kompromiss ergeben, mit dem dann alle klarkommen können.

LG
Renate

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