Der Tod meiner Mutter, viele schreckliche Monate und dann ein neuer Lichtblick
Als ich Jürgen brauchte, um
meiner todkranke Mutter für die Klinik fertigzumachen, erlebte ich
das Jobcenter als rasend schnell und effektiv. Über das dortige
Callcenter landete ich binnen kürzester Zeit am Telefon unserer
damaligen Fallmanagerin, einer sehr netten jungen Frau, die Jürgen
sofort nach Hause kommen ließ.
Als wir in der Klinik
ankamen, mussten wir zunächst sehr lange warten. Ein unglaublich
unfreundlicher, regelrecht abweisender junger Arzt rief mich rein und
erzählte mir was davon, ob ich lebensverlängernde Maßnahmen für
meine Mutter wolle. Als er mein entsetztes Gesicht sah und wohl
dachte, ich würde ihm heulend um den Hals fallen oder dergleichen,
herrschte er mich an, ich dürfe ihn nicht anfassen, da würde er
nicht mögen. Ich hatte hingegen überhaupt nicht verstanden, was
dieser Mann mir hatte sagen wollen, sondern sagte ihm, was für einen
Unsinn er eigentlich von sich geben würde, meine Mutter hätte eine
Magengrippe und bräuchte dringend einen Topf, damit sie nicht
austrocknet, denn sie würde sich schon lange ständig übergeben und
weder Essen noch Trinken blieben drin.
Als wir zu Hause waren, rief
uns der Chefarzt an und redete wieder davon, ob ich nun
lebensverlängernde Maßnahmen wollen würde oder nicht. Ich hatte
inzwischen überlegt, was dieser Chaot von einem Notarzt mir
eigentlich hatte mitteilen wollen und fragte dann nach, der Arzt möge
mir doch bitte erstmal erklären, was eigentlich genau los sei, was
meine Mutter hätte. Er sagte dann, sie hätte Nierenversagen, das
sei tödlich. Sie könne an Maschinen noch einige Wochen überleben,
aber sie würde da nie mehr von weg kommen und ohnehin sterben, so
langsam, ohne Maschinen unter Morphium schneller in wenigen Tagen
sterben. Ich sagte, dass ich darüber dann mit meiner Mutter zunächst
einmal selbst reden würde und gleich in die Klinik kommen würde.
Und ich würde vorher noch sofort alle meine Kinder benachrichtigen.
Manuel habe ich nicht
angerufen. Der letzte Anruf hatte mich so mitgenommen, dass ich Angst
vor noch so einem Gespräch hatte. Ich habe ihm deshalb eine E-mail
geschickt, seine Oma läge im Sterben, wenn er sie nochmal sehen
wolle, müsse er sofort kommen. Telefoniert habe ich dann
nacheinander mit allen anderen Kindern. Ich weiß heute nicht mehr,
wen ich zuerst angerufen habe. Mit Vanessa und Marius ging es ohne
Streit ab. Vanessa kam auch sofort mit mir gemeinsam ins Krankenhaus
und das war sehr gut. Aber mit Esther ging es nicht ohne Streit ab,
und das hatte einen Grund. Als ich sie fragte, wie es ihr ginge,
erzählte sie mir, sie hätte Nixe, Reno, Max, Filia und Rika
verkaufen müssen. Ich frage dann an wen und sie sagte mir, sie würde
mir nicht sagen, wem sie Nixe und Reno verkauft hätte. Daraufhin
weiter noch ein vernünftiges und freundschaftliches Gespräch mit
ihr zu führen, war mir nicht mehr möglich. Meine Mutter starb,
meine Tochter hatte meine !!!! beiden Pferde, die ich gekauft und ihr
doch nur so überlassen hatte, aber nicht zum Verkaufen, einfach
verkauft und teilte mir noch nichtmal mit, an wen. Auch wenn sie
sicher Gründe dafür hatte, auch schwerwiegende, die ich heute
erahnen kann. Etwas viel Schlimmeres gibt es wohl kaum noch, als so
zu reagieren, wenn man gerade den Anruf erhält, dass die eigenen Oma
im Sterben liegt. Ich weiß nur von Vanessa und Marius, dass sie bei
meiner Mutter vor ihrem Tod in der Klinik waren, Marius hat aber
nicht mehr mit ihr reden können, sie stand dann schon unter Morphium
und war nicht mehr bei Sinnen.
Vanessa half mir sehr bei
der Entscheidung, was ich tun sollte. Ich hatte nach allen den
Erlebnissen mit den Ärzten in dieser Klinik kein Vertrauen zu ihnen,
aber ich vertraute meiner Großen, als sie mir sagte, meine Mutter
würde einen Ammoniak-Geruch ausströmen, der typisch für
Nierenversagen sei. Sie hätte schon hunderte von Hunden, Katzen und
anderen Tieren mit eingeschläfert, die an Nierenversagen gestorben
seien, die würden immer so gerochen haben. Ich könnte den Angaben
der Ärzte deshalb Glauben schenken. Nun musste ich mit meiner Mutter
darüber reden. Sie war vollkommen klar, ganz anders als im Jahr
davor, wo sie nach ihrer Rückkehr aus der Klinik fast immer
vollkommen wahnsinnig gewesen war. Sie hat mir erzählt, sie hätte
sich immer ein Kind gewünscht und als ich geboren worden wäre, wäre
ich die Erfüllung ihres größten Wunsches gewesen. Sie hätte mich
immer über alles geliebt, sei aber auch immer eifersüchtig auf
jeden Mann gewesen, der in meine Nähe gekommen sei. Aber sie sei nun
froh, wo sie gehen müsse, dass ich mit Jürgen einen guten Mann an
meiner Seite hätte, der für mich da sein würde, da sei sie sicher.
Sie sagte, ich solle das tun, was am besten für sie sei, damit das
Sterben nicht so schlimm sein würde. Ich habe ihr versprochen, ich
würde alles tun, ihr das Sterben so leicht wie möglich zu machen.
Ich werde dieses letzte Gespräch mit meiner Mutter nie vergessen.
Meine Mutter war nie einfach
und ich glaube kaum, dass es viele Mütter gibt, die ihre Kinder so
sehr in Anspruch nehmen wie es meine Mutter mit mir getan hat.
Dennoch bin ich heute froh, dass ich immer für sie da war, auch wenn
sie nicht die perfekte Mutter war. Es gibt sicher kaum einen
Menschen, der mich so geliebt hat wie es meine Mutter tat. Vielleicht
tut es der Jürgen, sonst niemand.
Am 29.09.2011 hatte meine
Mutter es überstanden. Meine Tochter Vanessa hatte schon zwei Tage
vor ihrem Tod gesagt, jeden Hund würde man jetzt einschläfern, aber
ein Mensch muss sich leider so lange quälen, bis er von allein
stirbt.
Sie sah sehr friedlich aus,
als Jürgen und ich sie in dieser Nacht noch einmal in der Klinik
besuchen fuhren. Als wir wieder zu Hause waren, miaute ihre Katze
sehr lange durch die Wohnung. Das war sehr eigenartig und nicht
typisch für Blanka. Jürgen ist nicht fromm, aber er sagte zu mir,
Oma ist hier, Blanka auf Wiedersehen sagen. Vielleicht war sie ja
wirklich noch einmal hier, bevor sie ihre letzte große Reise
angetreten ist.
Die Beerdigung meiner Mutter
war ebenfalls eines der schrecklichsten Erlebnisse meines Lebens.
Manuel kam gar nicht. Vanessa kam mit Janin und Marc. Warum hat sie
sie nicht noch einmal mit zu ihrer Oma gebracht? Was hatte meiner
Mutter nach ihrem Tod denn noch davon, dass die Kinder bei ihrer
Beerdigung waren? Esther kam. Sie sah grauenvoll aus, mager und
schwer krank. Ich weiß, dass sie irgendwann einen schlimmen
Autounfall hatte. Ich weiß nicht wann, wir haben nur einmal
telefoniert und da hat sie mir davon erzählt. Vielleicht war dieser
Unfall der Grund dafür, dass sie Nixe, Reno, Max, Filia und Rika
verkaufen musste. Ich vermute das. Auch was mir später Einsteller
von ihr erzählt haben, die nicht dort geblieben sind, dürfte mit
diesem Unfall und den Folgen zu tun haben, denn was diese Leute
sagen, passt nicht zu dem, wie ich den Hof meiner Tochter selbst
erlebt habe. Solange ich dort sein konnte, was dort alles ordentlich
und gut organisiert und die Pferde hatten es gut. Beide setzten sich
nicht zu mir, sondern auf die andere Seite der kleinen
Friedhofskapelle. Bei mir waren nur Ela und zwei andere Freunde aus
Preetz, um Jürgen und mir Beistand zu leisten, nicht meine Kinder.
Marius kam zu spät und setzte sich auch zu seinen Schwestern und
meinen beiden Enkeln.
Am Grab meiner Mutter
standen meine Kinder auf einer Seite, Jürgen und ich und unsere
Freunde auf der anderen. So etwas erleben zu müssen, grenzt an eine
Herzlosigkeit, die grenzenlos ist.
Marius ging zuerst mit
seinen Schwestern mit, um dort nach der Beerdigung mit beiden eine
Weile zusammenzusein, kam danach zu Jürgen und mir nach Hause. Der
Konflikt, in dem er steckte, war ganz sicher nicht einfach für ihn.
Ich half ihm damals, er
brauchte dringend Geld, weil das Bafögamt nicht überwiesen hatte.
Er musste deshalb sein Studium unterbrechen, fing danach wieder an,
aber jobbte dann ohne Bafög, weil das grundsätzlich nicht
funktioniert hatte. Viele Monate nach Omas Beerdigung erreichte ich
Marius überhaupt nicht mehr, weil ich nicht wusste, wo er wohnte. Er
hat sich irgendwo bei Freunden durchgeschlagen, hat er mir erzählt.
Meldete sich erst über ein Jahr später wieder bei mir, als er
anderswo wieder eine eigene Wohnung hatte. Ich war inzwischen einmal
dort, als Marius Jürgen und mir wegen unseres damals defekten
Computers half. Er wohnt dort mit einem Freund zusammen, den er schon
lange kennt. Der junge Mann ist schon seit 2013 der neue
Lebensgefährte meiner Tochter Esther und wurde ihr Partner, nachdem
sie erfahren hatte, dass ihr Mann Jan und Imke, die Ex von Marius,
bereits seit 8 Jahren !!!!! ein Verhältnis gehabt haben. Das war
auch schon so, als Esther und Jan geheiratet haben und als Esther
Jans Wunsch erfüllte, dafür zu sorgen, dass Raphael seinen
Nachnamen statt den seines richtigen Vaters bekommen hat. Selbst mein
Ex Hansi sagt, dieses Verhalten muss man nicht verstehen und dafür
gibt es auch keine Entschuldigung. Irgendwann hat Marius mir erzählt,
meine Familie würde sagen, ich würde mir wünschen, dass er schwul
sei, aber das sei er nicht, es sei immer nur eine Wohngemeinschaft
mit einem guten alten eben männlichen Freund gewesen. Ja, warum denn
nicht? Aber warum kann ich denn diesen Freund nicht kennenlernen?
Auch wenn mein jüngster Sohn uns besucht, muss ich dieses Verhalten
nicht verstehen.
Ich selbst musste für das
Sozialamt allen meinen Kindern und auch deren Partnern ein Formular
bringen wegen der Beerdigungskosten. Der Bestatter hatte mir
allerdings gesagt, die Kinder müssten keine Angst haben, es gäbe
viele Urteile der Sozialgerichte, dass weder Enkel noch deren Partner
etwas zahlen müssten, wenn es Kinder seien, denn die seien
zuständig. Ich habe das auch allen meinen Kindern so erklärt. Ob es
mein Schwiegersohn von Esther verstand, weiß ich nicht, er ließ uns
nicht rein, um mit Esther zu reden, er brüllte rum, er würde uns
wegen Hausfriedensbruch anzeigen. Später hat er dem Sozialamt Preetz
die Angabe gemacht, ich hätte von meiner Mutter in Chiwa und Prima
zwei wertvolle Pferde geerbt. Chiwa und Prima haben meiner Mutter nie
gehört und außerdem sind sie nicht wertvoll. Ich hatte
diesbezüglich aber Hilfe, und zwar sowohl von der Sachbearbeiterin
beim Preetzer Sozialamt und auch von meiner Fallmanagerin, die mir
beide bescheinigt haben, dass Chiwa und Prima keinen Wert haben und
sie schlachten zu lassen, um den Schlachtpreis zu verwerten, gegen
das Tierschutzgesetz verstoßen würde.
Ich wünsche meinem nun ja
Ex-Schwiegersohn, dass er irgendwann für alles, was er mir angetan
hat, die gerechte Strafe bekommt, und zwar von Gott.
Ich sollte noch eine weitere
Grausamkeit erleben, und zwar in dem Bokseer Stall, wo unsere Pferde
damals ihren Pensionsplatz hatten. Schon als wir die Pferde dort
eingestellt hatten, hatten wir gesagt, es könnte einmal schwierig
werden, wenn meine Mutter sterben würde, denn diese Situation
könnten wir durch nichts abfedern. Man bekommt das Pflegegeld nur so
lange, wie man auch pflegt, es gibt keine Übergangszeit, um sich
einen Job zu suchen, kein Arbeitslosengeld, nichts. Man fällt in ein
riesengroßes soziales Loch. Unser Bauer gehörte zu den Menschen,
die oft schon Tage vor dem Ersten immer fragten, ob schon Geld
gekommen sei. Das war bei uns oft so, denn meine Mutter hat ja
Sozialhilfe bekommen und die ging oft sehr früh ein. Nun aber hatte
ich am 10. des Folgemonats nach Mamas Tod erst für ein Pferd bezahlt
und wir suchten händeringend Arbeit. Sofort sprach dieser Bauer
davon, Prima verkaufen zu wollen. Er ließ uns keine Zeit, noch nicht
einmal einen Monat, um nach Mamas Tod finanziell auf die Beine zu
kommen.
Hilfe hatten wir von einem
alten Freund aus meinen Kindertagen, der dann erstmal den Stall für
Prima bis Ende des Jahres bezahlt hat. Ich hatte ihn bei stayfriends
wieder gefunden, er hatte seine Frau verloren und wusste, wie schwer
man nach einer Beerdigung wieder auf die Beine kommt. Er sagte, er
würde gern helfen, ich hätte auch schon oft jemand geholfen und ihm
sei auch schon in der Not geholfen worden. So würde er das Leben
verstehen. Auch zwei Forenfreundinnen halfen mit kleinen Summen für
die beiden Pferde, bis wir wieder zugange kamen. Und eine davon gab
mir außerdem den Tipp, mich als Texterin zu bewerben, denn sie würde
sich auch so nebenberuflich Geld für ihre Pferde dazu verdienen.
Auch unsere Fallmanagerin
half auf ihre Art, sie besorgte mir sofort einen 1-Euro-Job in
Preetz, wo ich zu Fuß hin gehen und mir drei Monate lang jeden Monat
130 Euro dazu verdienen konnte.
In der Zwischenzeit hatten
Jürgen und ich beide in dem Texter-Portal eine Zusage bekommen und
unsere ersten Texte verfasst, die auch angenommen wurden. Im Laufe
der Zeit haben wir noch ein zweites dieser Portale gefunden, wurden
dort auch besser und höher gestuft, fanden einen Extra-Kunden, der
auch ab und zu Aufträge schickt und wursteln uns so durch. Es ist
ein harter, aber schöner Job, den wir beide heute machen. Wir sind
Freiberufler und müssen aufstocken, aber die Freibeträge reichen,
um unseren beiden Pferden das Überleben zu sichern.
Es gibt heute für uns nach
wie vor ein Auf und Ab, Höhen und Tiefen im Leben, aber so
schreckliche Dinge wie damals, als meine Mutter ihr letztes
Lebensjahr verbrachte, starb und begraben werden musste, haben wir
bisher noch nicht wieder erlebt, sondern nur den ganz normalen
Alltagsstress, den in Deutschland Millionen von Menschen erleben, die
ihr Einkommen mit Hartz IV aufstocken müssen.
Mein jüngster Sohn musste
aufgrund einer schweren unheilbaren Krankheit sein Studium abbrechen.
Er hat einen guten Job und trägt es mit erstaunlich viel Fassung.
Ich werde selbst sehr alt sein, wenn diese Krankheit ein Ausmaß
erreichen könnte, dass sie wirklich schlimm wird. Das macht mir
große Sorgen. Er hatte schon bei seiner Geburt einen so schweren
Start ins Leben und es nie leicht und hat das einfach nicht verdient,
aber das Leben ist eben nicht immer gerecht. Aber er lebt und ab und
zu meldet er sich.
Das Jobcenter zu ertragen
ist nicht immer leicht. Es ist nicht die Schuld der Sachbearbeiter,
es liegt am System. Bei den Linken bin ich dennoch nicht mehr. Es
haben mir einige Dinge in ihrem Parteiprogramm nicht gefallen. Ich
wähle heute die Piraten, weil sie die einzige Partei sind, die das
Bedingungslose Grundeinkommen versuchen würden einzuführen, von dem
ich denke, es könnte unsere Welt in Deutschland positiv verändern
und das Leben für viele Menschen so wieder lebenswert machen.
Für mich persönlich wäre
aber auch das zu spät, um jemals wieder Vertrauen zu meinen drei
ältesten Kindern haben zu können. Ich habe erlebt, dass sie mich
alle im Stich gelassen haben, als ich in Not war und werde das nie
vergessen können. Verzeihen, das ja, denn Kindern verzeiht man
Dinge, die man niemand sonst verziehen würde, vertrauen aber, das
niemals wieder.
Vor 2 1/2 Jahren fühlte ich
mich krank und bekam eine Krebsdiagnose. Ich entschied mich dafür,
mich nicht operieren zu lassen, weil die Gewebeproben meiner
Schilddrüse keine Krebszellen enthalten haben. Als ich einige Monate
später an einer Grippe erkrankte und Antibiotikum bekam, verschwand
der Knoten an meiner Schilddrüse von alleine. Ich habe keinen Krebs,
aber ich bin schwer herzkrank. Der Vertrauensarzt hat dem Jobcenter
mitgeteilt, dass ich nur noch 2 bis 3 Stunden am Tag leichte
Büroarbeiten machen darf. Mehr hält mein Herz nicht mehr aus. Das
ist gut so. Sie werden mich in Zukunft dann sicher meine Arbeit als
Texterin machen lassen.
Jürgen hat auch eine
Untersuchung beantragt, denn er hat große Probleme mit seinem
Rücken.
Unser Mietshaus wurde
verkauft und wir wusten lange nicht genau, ob wir hier nach nun schon
zwei Mieterhöhungen wohnen bleiben durften. Aber ich habe das hin
bekommen mit der zu hohen Bruttokaltmiete, denn ich kann einen Raum
als Büro bei der Anlage EKS absetzen. Ansonsten läuft eine Klage
beim Sozialgericht, der wir uns angeschlossen haben, die schon jemand
anders in einer ähnlichen Angelegenheit eingereicht hat. Man fragte
uns, ob wir das abwarten möchten. Also habe ich ja dazu gesagt.
Dennoch sind das alles eher
kleine Sorgen gegenüber denen, die wir davor haben erleben müssen.
Wir haben auch den Stall
gewechselt und mit zweien danach viel Pech gehabt, die hier in der
Nähe waren. Beim ersten stießen wir unvermutet auf einen Hengst und
gingen weg, im zweiten erlebten wir, wie gefährlich Schimmel und
Sumpfschachtelhalm im Futter sein können und Chiwa erkrankte wieder
an Hufrehe, und das sehr schlimm. Im dritten hat sich Chiwa nun gut
erholt und Jürgen und Ela sind letzten Sommer sogar ab und zu auf
ihr geritten. Leider werden wir den Stall erneut wechseln müssen,
denn dort wurde eine Reithalle gebaut und so entstanden diverse
Probleme für uns. Das ist nicht schön, aber im Vergleich dazu, was
wir schon alles erlebt haben, eine Bagatelle, die sich demnächst
durch einen Stallwechsel wird lösen lassen.
Blanka hat Oma inzwischen
mehr als vier Jahre überlebt und ist schon uralt. Boomer ist immer
noch ein kleiner frecher Terrier und macht uns viel Freude.
Wir haben kein Auto mehr und
laufen sehr viel zu Fuß, auch täglich in den Pferdestall von Preetz
nach Reuterkoppel und zurück. Das hält uns körperlich fit. Im
ersten Jahr sind wir alleine zum Stall und zurück eine Strecke
gelaufen, die der nach Minsk und zurück entspricht.
Im August 2012 ist Jürgens
Mama Lilo auch gestorben. Sie wollte leider nie, dass wir sie mit
hier hoch nehmen. Sie wollte in Bad Nenndorf bei ihren Freundinnen
bleiben. Bei ihrer Beerdigung war keine davon, aber so ist das im
Leben wohl oft. Auch Jürgens Kinder kamen nicht zur Beerdigung ihrer
Oma.
Wir lieben uns immer noch.
Ach ja, wir haben am
1.3.2013 übrigens geheiratet, auch wenn Jürgen und ich das nie vor
hatten. Marius war dabei, als einziges unserer Kinder.
Diese Geschichte, die ich
Bilanz genannt habe, erscheint in unserem Blog. Was ein Blog ist,
haben wir als Texter gelernt. Jetzt, wo ich diesen Text
veröffentliche, am 04.03.2016, hat dieser Blog schon mehr als 2,4
Millionen Leser gehabt. Ich wollte ja früher mal Journalistin
werden, heute bin ich eine, wenn auch keine gut bezahlte.
Auf den Titel Bilanz für
meine Biografie bin ich gekommen, weil ich aus meinem Leben eine
recht bittere Bilanz ziehe.
Ich habe viel in den
falschen Mann und unsere gemeinsamen Kinder investiert, sehr viel.
Zurück bekommen habe ich nicht ansatzweise das, was ich gegeben
habe. Es ist eine negative Bilanz in Bezug auf meine Familie.
Vielleicht werde ich andere
Dinge in meinem Leben mit weniger Verlust abschließen können als
mein Dasein als Ehefrau und Mutter, das mich im Nachhinein sehr
enttäuscht hat. Dennoch gab es viele Jahre, von denen ich sagen
kann, dass ich zwar nicht meine Ehe, aber meine Aufgabe als Mutter
sehr geliebt habe und die Zeit mit meinen Kindern, als sie mich noch
alle liebten und das auch gezeigt haben, sehr genossen habe.
Ach ja .. mein Ex-Mann ist
schon wieder solo. Er unterhält sich mit mir. Er hat mir erzählt,
dass auch das Leben mit seiner Babs, die mir selbst einmal erzählt
hat, wie abgöttisch sie meinen Ex liebt, nur noch Krampf gewesen
sei. Ich war offensichtlich nicht die einzige Frau, die ihm nach nur
kurzer Zeit zum Hals raus hing. Das beruhigt mich irgendwie.Er macht
Privatinsolvenz. Er sagt, er dürfe ja nicht sehr viel verdienen
wegen der Insolvenz. Ich weiß, was das bedeutet. Ich kenne ihn zu
gut, um es nicht zu wissen. Ich werde hier aber nicht sagen, was ich
denke. Wer Bilanz bis hierhin verfolgt hat, wird es aber wissen.
Momentan ist er sehr krank und am Knie operiert worden. Es wird
Monate dauern, bis das geheilt ist. Es tut mir irgendwie leid und ich
wünsche ihm, dass diese Operation gelungen ist. Wir haben uns vor
einigen Monaten zufällig getroffen. Ich hasse meinen Ex nicht mehr,
ich liebe ihn auch nicht mehr. Ob er irgendwann ein Freund werden
kann, weiß ich noch nicht. Warum er ist wie er ist, habe ich im
Laufe unserer Ehe gelernt zu verstehen und habe jetzt ja nicht mehr
darunter zu leiden.
Jürgen und ich rechnen
jeden Cent, selbst die kleinen Werbeeinahmen aus unserem Blog,
gewissenhaft mit dem Jobcenter ab. Wir schimpfen über diesen Staat,
bescheißen tun wir ihn aber nicht.
Irgendwann mache ich hier
weiter, wenn ich dann noch leben sollte, was bei meinem schwachen
Herzen länger oder auch kürzer der Fall sein könnte.
Also bis dann.
LG Renate
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