Freitag, 29. Juli 2016

Vorab-Rezession "Verstoßene Eltern"

Fortsetzung aus Juli 16

....

Birgit Belau und ich haben schon wieder etwas gemeinsam, wenn auch nicht konkret, aber in gewissen Ansätzen.

Birgit Belau lernt die spastisch gelähmte Anna kennen, die ihr Leben im Rollstuhl verbringen muss. Deren Mutter hat sie nicht mit dieser Spezialgymnastik gequält. Sie lernt auch noch eine weitere junge Mutter kennen, die sich dazu entschließt, ihr spastisch gelähmtes Kind nicht mit dieser Spezialgymnastik zu traktieren, obwohl es dann genauso wie Anna für immer an den Rollstuhl gefesselt bleiben wird.

Ich selbst habe in Depenau auch einen Jungen und seine Mutter kennengelernt. Auch dieser Junge wurde durch seine Mutter nicht so stark traktiert, dass er wie mein Marius laufen gelernt hätte. Als seine Mama schwanger war, kam der Junge vorübergehend in eine Pflegefamilie und machte dort große Fortschritte. Nach der Entbindung kam er wieder nach Hause, seine Mutter machte nicht weiter und er blieb an den Rollstuhl gefesselt. Als er älter wurde, kam seine Mutter gar nicht mehr mit ihm klar und der Junge kam in ein Heim für Körperbehinderte.

Birgit und ich haben eins gemeinsam. Wir beide denken, es war gut für unsere Kinder, ihnen dabei geholfen zu haben, nicht im Rollstuhl zu landen, auch wenn die Beturnerei wirklich für alle Beteiligten eine Tortur gewesen ist.

Ich erinnere mich in meinem Fall daran, dass meine Familie durchaus damals gesagt hat, ich hätte das im Fall von Marius alles richtig gemacht, aber verlassen haben mich die Kinder später trotzdem genauso wie Birgits Kinder sie auch.

Ich weiß nicht, ob es was damit zu tun hat, dass wir beide unsere spastisch gelähmten Kinder vor den Augen der ganzen Familie und Geschwister immer so hart haben anfassen, ihnen auch so viel Aufmerksamkeit schenken müssen. Mag sein, vielleicht liegen die Gründe aber auch ganz woanders, dass wir verlassen wurden.

Birgit lernte zwei gute Freunde kennen. Als der Mann stirbt, wird seine Frau zum Pflegefall und Birgit kümmert sich um sie, bis sie auch stirbt. Danach macht sie eine Ausbildung, um in einem Hospiz Sterbende begleiten zu können und arbeitet dort acht Jahre lang. Sie hofft, durch das Erleben des Todes das Leben besser verstehen zu können, aber das gelingt ihr nicht. Sie empfindet den Tod als den Übergang in eine andere Daseinsform und damit als etwas Tröstliches.

In ihrem Buch beschreibt Birgit verschiedene Begegnungen, die ihr gut taten. So auch die einer Mutter, deren Kind vor einen Lastwagen rannte und starb und die ihr sagte, das sei schlimm, aber nicht so schlimm wie von den eigenen Kindern verstoßen zu werden.

Man erfährt beim Lesen, dass Birgit in psychotherapeutischer Behandlung ist, um mit diesem Verlust der Töchter fertig zu werden. Man erfährt, dass eine davon ihr als Andeutung in einer E-mail schrieb, dass sie hoffentlich nie erfahren möge, was sie ihren Kindern denn nun angetan hätte.

Man erfährt, dass die Therapeutin den Spieß umdrehte und Birgit fragte, ob eigentlich ihre Töchter wüssten, was sie der eigenen Mutter angetan hätten.

Diese Äußerung bringt Birgit zu einem Umdenken. Sie beginnt erstmals zu überlegen, ob eigentlich sie die Schuldige sei.

Birgits Situation ist vollkommen anders als meine eigene. Bei mir waren erst dann Probleme mit meinen Kindern da, als diese Partner für sich aussuchten, die mich nicht leiden konnten und mich verbissen bekämpft haben.

Ich glaube, es ging ursprünglich von einem Mädchen aus, die einfach nicht damit klar kam, dass ich eine andere Auffassung darüber hatte, wie man einen Hund erziehen sollte und ihr nicht recht gab. Das hat sie so wütend gemacht, dass sie begann, alles was ich tat auszuspionieren, zu hetzen und die ganze Familie auf mich rauf zu hetzen. Dabei angelte sie sich auch den Partner einer meiner Töchter, mit dem sie jahrelang ein Verhältnis hatte. Meinen Schwiegersohn, der zu meiner Großen gehörte, konnte sie schon früh spielend leicht auf mich hetzten, indem er erfuhr, dass ich davon ausging, er hätte meine Tochter hochschwanger geschlagen und schwer verletzt, auch wenn ihm das danach leid getan hatte. Meine Schwiegertochter zu meinem Ältesten konnte sie bei einem Besuch auf mich rauf hetzen, den ich für meine Mutter arrangierte, damit sie die Enkel endlich einmal alle treffen konnte. Wie weiß ich nicht.

Insofern fühlte ich mich nie schuldig wie Birgit. Birgit fühlt sich heute so denke ich auch nicht mehr schuldig, aber anders als ich empfindet sie sehr viel Wut.

Ich habe diese Wut auf meine Kinder längst abgelegt und von meinem 2. Mann, dessen Kinder ihn ja auch verstoßen haben, etwas Gutes gelernt. Jürgen sagt, sie sind lebensfähig. Das haben wir ihnen beigebracht als Eltern. Sie möchten uns nicht um sich haben, lass sie.

Natürlich wünscht man sich immer wieder, alles würde so werden wie früher. Jürgen und ich verstehen deshalb Birgit und ihren Mann sehr gut.

Weil ich Birgit inzwischen sehr gut kenne, ist mir noch etwas in ihrem Buch aufgefallen.

Eines nachts sieht sie eine weiße Eule über ihren Kopf hinwegfliegen und empfindet das als ein Wunder.

Ich weiß, weil wir uns schreiben, dass ihr diese weiße Eule etwas bedeuten muss, eine ganz besondere Bedeutung haben muss. Vielleicht erkenne ich warum, wenn ich das Buch weiter lese.

Aber heute nicht mehr. Ich werde jetzt erst einmal etwas kochen und Euch später mehr von diesem Buch erzählen.

LG
Renate

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen