Mittwoch, 26. Dezember 2018

Ein interessanter Text für Eltern, der recht tröstlich ist

Da schreibt jemand, warum es die perfekte Kindheit gar nicht gibt

Als ich Jürgen kennenlernte, waren meine eigenen Kinder noch recht nah bei mir.

Er beschrieb mit so traurig, wie es ihn fertig gemacht hat, dass sein Sohn im Teenager-Alter mehr oder weniger aus dem Nichts heraus plötzlich gar keine Zeit mehr für ihn hatte und er ihn nie wiedersah oder wie sinnlos es gewesen war, dass er wirklich alles getan hatte, um seine Tochter, von der er bis zu ihrem 9. Lebensjahr gar nicht wusste, dass es sie gab, aus dem Kinderheim rauszuholen, wo sie unter der Obhut ihrer Mutter gelandet war und wie seine Frau, die er ja in erster Linie genau wegen dieser Tochter geheiratet hatte, dann als sein Sohn 4 Jahre alt war, plötzlich mit nem anderen Mann abgehauen ist.

Seine Wochenenden, jedenfalls jedes zweite davon, bestanden darin, sich auf die Besuche seines Sohnes zu freuen.

Es starb auch noch sein Adoptivvater und das Kind fragte, ob er denn auch als Teenager nun noch alle 14 zu Besuch kommen müsste oder Zeit mit Freundinnen und Freunden verbringen könnte. Jürgen hatte dafür volles Verständnis ... dass der Junge nie mehr kam, auf diese Idee ist er nicht gekommen, warum auch? Es gab ja gar keine Probleme mit dem Kind.

Seine Tochter hat gar nicht gewusst, dass der Mann, den ihr ihre Mutter als Vater serviert hatte, gar nicht ihr Vater war, sondern Jürgen .. sie tauchte irgendwann mit Enkel mal wieder bei uns auf, aber auch das war nur eine Stippvisite bei ihrem in ihren Augen ja nur Stiefvater, der alles für sie getan hat, sogar ein total seriöses Leben angefangen, gearbeitet wie ein Büffel, damit die Familie alles hatte, so wie er das aus seiner Kindheit von den Adoptiveltern kennengelernt hatte .. dann war sie irgendwann beleidigt wegen einer Kleinigkeit und wieder weg.

Als Jürgen vor allen Dingen über seinen Sohn sprach .. diese tiefe Liebe, der Schmerz, der da rüberkam .. ich hab nur seine Hand gehalten und mir gedacht, dieser Mann ist was wert und ihn als Partner behalten.

Er ist was wert. Seine Kinder achten das aber nicht .. vermutlich ist es einfach nur Gleichgültigkeit. Als wir mal mit seiner Tochter im Zoo waren und ich sie fragte, wo sie so lange war, hat sie gemeint, ach dass sowas Eltern weh tun könnte, darüber hätte sie gar nicht nachgedacht.

Wie war das bei mir?

Ich wurde mit 18 ungewollt schwanger. Es war für mich selbstverständlich, dann den Vater dieses Kindes, egal wie er war, zu heiraten, nicht zu studieren, wie ich es eigentlich geplant hatte damals, mir einen total langweiligen Bürojob zu suchen, meiner Mutter die Aufsicht über die Kinder und den Haushalt zu überlassen, wenn ich arbeiten war und ansonsten nachmittags und an den Wochenenden oder im Urlaub nur für meine später insgesamt 4 Kinder dazusein.

Nein ich habe sie nicht geschlagen. Nein ich habe sie auch nicht vernachlässigt. Ich habe sie beschützt, wenn sie in der Schule, mit Nachbarn oder sonstwas für Probleme hatten, ich war da. Ich habe mich mit Leidenschaft dafür interessiert, was meine Kinder für Menschen waren, was sie für Interessen hatten, habe sie alle versucht so gut wie möglich zu verstehen, in ihrer Individualität gefördert, verwöhnt soweit mir das mit einem Mann, der nicht mit Geld umgehen konnte und ständig einen Job nach dem anderen verlor, ob wegen Unterschlagung oder Diebstahl, oder der fremdging, was mir natürlich weh getan hat, denn möglich war.

Sie haben mir später mal erklärt, natürlich würden sie mir nicht vorwerfen, sie misshandelt oder vernachlässigt zu haben, aber es sei zuweilen nervig gewesen, wie sehr ich mich für ihre Hobbys und Interessen interessiert hätte.

Dass ich mir bei manchen ihrer Partner auch Sorgen um sie gemacht habe, weil man als Mutter eben nicht die rosa Brille auf der Nase kleben hat und diese Menschen als das sieht, was sie wirklich sind .. natürlich wurde mir auch das angelastet. Wie kann sich eine Mutter nur wünschen, dass ihre Kids sich anders als sie selbst Partner aussuchen, mit denen sie zusammenbleiben und glücklich werden können, die sie nicht schlagen, betrügen oder ausnutzen oder anlügen?

Auch bei mir und den Kids gibt es einen eher losen Kontakt. Manche rufen mich sogar zurück oder antworten auf mails. Falls ich mal durchrufe, legt keines auf, sondern ich habe das Gefühl, die reden dann zuweilen sogar recht gern mal eine Weile. Ich kann mir häufige lange Handygespräche nur nicht leisten. Deshalb passiert sowas auch sehr selten. Wenn wir uns wo treffen, reden alle sogar sehr lange mit mir, als ob da ein Bedürfnis da wäre, Mama was zu erzählen, nur die Partner-Konstellation oder andere Umstände so schwierig sind, dass deshalb der direkte und intensive Kontakt vermieden wird.

Anfangs konnte ich Jürgens Einstellung, die er schon 2007 bei unserem Kennenlernen seinen Kindern gegenüber gewonnen hatte, nämlich sich zu sagen, sie sind überlebensfähig, er hat nicht alles falsch gemacht, denn sonst wären sie das nicht, lass sie ihr Leben leben, überhaupt nicht nachvollziehen.

Nachdem ich jahrelang versucht habe, den Kontakt zu meinen Kids wieder so intensiv zu gestalten, wie der früher mal war, sage ich mir heute genau das gleiche. Es geht ihnen gut. Ich habe es fertiggebracht, dass alle eine gute Schulbildung und Berufsausbildung haben, dass sie sich zumindest jetzt in ihrem ja noch mittleren Alter so ganz gut über Wasser halten können, sie sind beziehungsfähig und die, von denen ich Enkel habe, hängen auch an ihren Kindern und gehen sicher gut damit um.

Ich sollte damit zufrieden sein und der Rest ist einfach Erinnerung an früher.

Ich hoffe, es wird ihnen später mal nicht so gehen, wie ich das häufig bei Leuten miterlebt habe, die jahrelang keinen oder kaum Kontakt zu ihren Eltern hatten, denen plötzlich Elternteile gestorben sind ... manche haben sie gar nicht mehr vorher besuchen können, andere vielleicht noch einem im Sterben liegenden mal kurz die Hand halten .. und dann ist da das schlecht Gewissen, das ihnen keiner mehr abnehmen kann.

Plötzlich fällt dann auf, da fehlt doch was .. da ist die Person, die mit die einzige oder eine von zwei war, die nie aufgehört hat, so ein Kind zu lieben .. nun nicht mehr da und keine andere Beziehung ist wie diese und kann sie ersetzen.

Tja so ist das.

Nun fand ich einen Text, wo drin steht, egal wie man mit seinen Kindern auch umgegangen sein mag ... es bleibt immer was Traumatisches zurück, wo Kinder lernen müssen, mit klarzukommen.

Klar ..meine Mutter war auch nicht einfach, die war dement sogar mehr als schwierig und hat mich oft wirklich komplett zur Verzweiflung gebracht, umso dementer sie wurde .. aber ich habe das gute Gefühl, egal wie sie war, dass ich sie bei mir behalten habe bis zu ihrem Tod.

Also ich würde nicht sagen, dass meine Mutter nicht so manches fertig gebracht hätte, das für mich als ihre Tochter auch traumatisch war.

Schaffen wir Eltern wohl alle, egal wie viel Mühe wir uns geben, mehr oder weniger.

So nun folgt der Link und daraus noch paar Textstellen .. Rest bitte selbst lesen.

Ich finde den in Anbetracht unserer Kinder sehr tröstlich.




Egal, wie gut oder schlecht die eigene Kindheit war: Man wird später im Leben immer Probleme haben, die sich auf die frühen Jahre zurückführen lassen. Mentalcoach Bruno Hambüchen erklärt im Interview, warum das so ist und wie wir mit unseren Erfahrungen richtig umzugehen lernen.
Bruno Hambüchen ist Psychotherapeut und einer der bekanntesten Mentalcoaches in Deutschland. Er war es, der seinem Neffen Fabian Hambüchen zur olympischen Goldmedaille verhalf. Trotz zahlreicher Verletzungen baute der Kunstturner mit Hilfe seines Onkels die mentale Stärke auf, die es brauchte, um in Rio de Janeiro Olympiasieger zu werden. 

 Durch Gespräche und Mentaltrainings ließen sich Blockaden im Kopf lösen, die den jungen Turner auf dem Weg zum Ziel eingeschränkt hatten - eine Situation, wie sie nicht nur Profisportler kennen, sondern auch "Normalsterbliche". Selbstzweifel, innerer Druck oder auch Verunsicherung manövrieren einen in Szenarien, in denen man sich unwohl und missverstanden fühlt. 


Eine perfekte Kindheit? Gibt es nicht.

Wer einen Ausweg aus dieser Lage finden will, muss sich mit sich selbst auseinandersetzen. Denn: Viele wiederkehrende Probleme, mit denen wir uns plagen, sind in frühen Phasen unseres Lebens verankert, an die wir uns oftmals kaum mehr erinnern können. Im Interview erklärt Bruno Hambüchen, warum wir in manchen Situationen energischer reagieren als es uns lieb ist und warum es so etwas wie eine ideale Kindheit nicht gibt. 


Herr Hambüchen, woran erkennt man, dass einem Emotionen aus der Vergangenheit noch heute zu schaffen machen?
Bruno Hambüchen: Wenn Sie immer wieder in eine Situation geraten, in der Sie sich fragen, warum Sie jedes Mal auf eine ganz bestimmte Art reagieren - etwa mit hoher Intensität oder besonders unterkühlt -, dann ist das bereits ein erster Anhaltspunkt, da Sie die Eigenart Ihrer eigenen emotionalen Reaktion in diesem Moment selbst nicht richtig zuordnen können.
Genau dann lohnt es sich zu fragen: Woher kommt Ihnen das bekannt vor? Wie lange könnte das schon her sein, und wie alt waren Sie da möglicherweise? Welche Szenen laufen währenddessen in Ihrem Kopf ab? Wenn um Sie herum gerade eine gute Atmosphäre herrscht und kein Druck da ist, kommen Erinnerungen oft schnell zurück. Mit diesen Erinnerungen kann man recht gut arbeiten, indem man hineingeht in diese Bilder und schaut, was da überhaupt abgelaufen ist.

 ...
Ein Beispiel:
...
 

Gibt es denn so etwas wie eine "normale" Reaktion auf Situationen überhaupt?
Man tut gern so, als gäbe es eine Normalität. Tatsächlich ist es so, dass jeder Mensch schauen muss, dass er sich nach innen wie nach außen immer wieder in Balance bringt.
Deutlich wird das am Beispiel einer Ehe: Sagen wir mal, die Frau ist besonders emotional und bringt ihre Gefühle sehr schnell und intensiv zum Ausdruck. Der Mann hingegen ist in einer Familie groß geworden, in der es rein um Leistung geht. Er wurde sehr erfolgreich, hat meist gelernt, sich nicht von Emotionen ablenken zu lassen. Wenn die beiden über Probleme ihres Sohnes mit einem Lehrer in der Schule reden, dann ahnen Sie bestimmt schon, was dabei passiert. Das gehört vielfach einfach zum Alltag. 


Dann aber tritt die Situation ein, dass das Unternehmen des Mannes ins Schlingern gerät und Insolvenz anmelden muss. Die Frau geht daraufhin in die Angst und die Traurigkeit und äußert sie auch, während der Mann keinerlei Emotionen zeigt – weder Angst noch Betroffenheit. Zu Recht ist die Frau irritiert, zumal der Mann kaum auf seine Frau eingeht, sondern sie eher beschwichtigt oder das Gespräch abbricht, weil er so etwas wie Traurigkeit nicht an sich heranlässt. Er will sich auf das konzentrieren, was zu tun ist.
Was ist in diesem Fall normal? Die Emotionalität der Frau oder die Unterkühltheit des Mannes? Das Beispiel zeigt: Es ist immer eine Mixtur aus der veranlagten Individualität, der Persönlichkeitsstruktur und all den Erfahrungen, die wir mit uns selbst und unserem Umfeld von Kindheit an gemacht haben. Aber auch der Ort, in den wir hineingeboren werden, unsere Familie spielt eine Rolle. Jeder versucht auf seine Art, mit sich und der Situation klar zu kommen.

Wie genau müssen wir uns diesen Mix vorstellen?
Ein Säugling bringt von Geburt an seinen eigenen Charakter mit, alles andere muss er lernen. Das Meiste von dem, was der Mensch kann, ist Erlerntes. Und genau da wird es spannend: Von welchen Leuten lernen wir was? Wie ist die Familienkonstellation? Gibt es große, kleine oder gar keine Geschwister? Bin ich der Kleine in der Familie, kann ich mir viel von den Älteren abschauen. Bin ich der Große, bin ich vom Kleinen oftmals genau deshalb genervt.
Bin ich ein Einzelkind und auf mich allein gestellt, sieht es wieder anders aus: Streiten die Eltern viel, rutscht das Einzelkind schnell in eine Vermittlerrolle zwischen den beiden Parteien und muss lernen, allein damit zurechtzukommen. Lieben sich die Eltern und sind mit einem engen Band verbunden, bekommt das Kind ein anderes Problem: Es muss irgendwie seinen Platz in diesem Miteinander finden und dafür sorgen, dass es von den Eltern ausreichend registriert wird.

Wie müsste man ein Kind also erziehen, dass es als Erwachsener so gut wie möglich zurechtkommt?
Ein ideales Großwerden auf diesem Planeten gibt es nur in der Theorie, nicht in der Praxis. Wir müssen uns alle irgendwie durchschlagen, und wir nehmen diese Erfahrungen mit in unser gegenwärtiges und zukünftiges Leben und Erleben.
Das heißt aber nicht, dass, wenn wir später auf eigenen Beinen stehen, einen Beruf haben und vielleicht eine eigene Familie, wir die gleichen Erfahrungen machen wie damals in unseren Jahren als Kind. Nach dem Motto: "Glückliche Kindheit, glückliches Leben".
Selbst dann, wenn jemand eine tolle Kindheit hatte und alles glatt gelaufen ist, ist es beinahe garantiert, dass dieser Mensch später Probleme haben wird im Leben. Denn wenn es im Berufsleben oder in seiner eigenen Familie nicht so läuft, wie er es früher gewohnt war, dann begreift der Mensch gar nichts mehr. So etwas hat er noch nie erlebt und muss sich erst auf diese neue Situation einstellen.

Gibt es sowas wie eine perfekte Kindheit denn dann überhaupt?
Nein, eine ideale Kindheit gibt es nicht. Es gibt Kindheiten, die angenehmer oder förderlicher waren als andere. Aber eine Kindheit, mit der man später keine Bewältigungsschwierigkeiten oder andere Probleme bekommt, gibt es nicht. Man lernt in der Kindheit eine Vielzahl unterschiedlicher Bewältigungsmechanismen. So lange diese alten Muster passen und funktionieren, hat der Mensch kaum Probleme. Es geht ihm gut. Wenn aber Situationen eintreten, in denen er mit diesen alten Musterwegen nicht weiterkommt, bekommt er früher oder später sehr wohl ein Problem.
...
Und so weiter und so fort.

Tja ...ob Jürgen und ich alt genug werden zu erleben, dass unsere Kinder die innere Reife erlangen, solche komplexen Zusammenhänge überhaupt zu erfassen?

Vielleicht, vielleicht auch nicht.

Mein Mann hat recht .. lass sie .. sie überleben ganz gut ... wir haben ihnen zumindest halbwegs funktionierende Bewältigungsmechanismen fürs Leben vermitteln können. Was wollen wir mehr?

Nicht jedes Kind kann sich so erfolgreich durchschlagen wie es unsere gemeinsamen 6 Stück doch eigentlich schaffen.

LG
Renate

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