Montag, 4. Dezember 2017

Der erste Advent bei uns

Sogar das Wetter war besser als angesagt

Ich gehe davon aus, dass wir die Weihnachtszeit wie immer ohne irgendeinen Besuch von einem Familienmitglied verbringen werden.

Nun ja .. man gewöhnt sich an vieles und Jürgen und ich machen es uns eben zu zweit gemütlich.

Immerhin sind wir zu zweit.

Ich weiß noch, wie aggressiv Jürgen reagierte, als wir unseren ersten Vorweihnachtsmonat verbracht haben und ich gerne mit ihm über den Weihnachtsmarkt an der Klosterkirche laufen wollte, nur mal so rumlaufen, bissel schauen und vielleicht eine Tasse Punsch trinken oder so und Fotos von der hübschen Deko machen.

Er sagte, er hasst Weihnachten, denn es erinnert ihn daran, dass er mal eine Familie hatte, die ihn verstoßen hat. Tja ...

Meine Mutter war eine kluge Frau. Ich hätte schon zu Lebzeiten, selbst als sie schon so dement war, viel öfter auf sie hören und ihr auch viel genauer zuhören sollen.

Als sie im Sterben lag, hat sie gesagt, sie hätte sich immer ein Kind gewünscht und sie wüsste, wie anspruchsvoll sie war und wie eifersüchtig auf meiner Männer. Aber sie sagte auch, sie sei mir dankbar, dass ich immer für sie da gewesen wäre, obwohl sie so eine schwierige Person gewesen sei .. und jetzt könnte sie in Frieden sterben.

Sie sagte, sie wüsste, mit dem Jürgen hätte ich jetzt jemand an meiner Seite, der mich genauso liebt wie sie das immer getan hätte und er würde für mich da sein.

Obwohl Vanessa ein paarmal in die Klinik gekommen war ... meine Mutter hat von keinem meiner Kinder im Sterben gesagt, dass sich eins davon später so um mich kümmern würde wie ich das mit ihr getan habe. Sie hat die Kinder nichtmal erwähnt, als sie dieses letzte Gespräch mit mir führte. Die redete nur von sich selbst und mir und Jürgen.

Trotzdem habe ich natürlich mal wieder Grüße geschickt und freue mich sogar immer dann, wenn ich nur sehe, es hat diese Grußkarten einer aufgemacht und gelesen .. denn selbst das ist ja bei meinen Kindern nicht mehr selbstverständlich.

Zu antworten sowieso eine solche Seltenheit, dass ich dann begeistert davon erzähle.

Und bei Jürgen ist das nicht anders.

Die Freundin in Bayern, die unter einem Pseudonym ein Buch darüber geschrieben hat, wie ihre Kinder sie einfach imAlter im Stich gelassen haben, obwohl sie für sie ihr Lebensmittelpunkt waren, sie sie nie geschlagen hat und damit gedacht, sie wäre besser mit ihnen umgegangen als ihre eigenen Eltern mit ihr selbst .. die spart gerade wie verrückt.

Einer ihrer Enkel hat sich aus Amerika gemeldet und sogar ihrem Mann zum Geburtstag geschrieben.

Nun möchten die beiden alten Leute hinfliegen und versuchen alles, dass das auch was wird.

Sie sind beide Rentner und arbeiten immer noch nebenbei, beide schon weit über 70.

Jürgens Tochter hat mir mal im Zoo erzählt,  es wäre ihr in jungen Jahren ja gar nicht klar gewesen, dass ihr Vater sie vermissen könnte, als sie sich soweit ich das jetzt im Gedächtnis habe, 18 Jahre nicht mehr hat blicken lassen. An sowas würden junge Leute ja nicht denken.

Nun ja .. ich war auch mal jung und ich kann nicht sagen, dass ich meine Schwiegereltern nun heiß und innig geliebt hätte, das tat ja nichtmal mein Ex, der als Kind viel Prügel bezogen hat.

Trotzdem war es auch in jungen Jahren für mich eine Selbstverständlichkeit, dass wir sie zu Weihnachten, Ostern, an Geburtstagen, am Mutter- und Vatertag besuchen fahren oder abholen, dass wir sie ab und zu mit den Kindern mit in den Zoo oder Freizeitpark nehmen, mit ihnen Eis essen gehen, einfach nur und und so weiter uns so fort .. und obwohl ich es hasste, habe ich laufend mit meinem Schwiegervater 17 und 4 gespielt. Er spielte es eben gern.

Ich hab mir geduldig das Gejammer meiner Schwiegermutter über alle ihre eingebildeten oder auch mal echten Krankheiten angehört und zumindest so getan, als hätte ich dafür Verständnis.

Ich habe es runtergeschluckt, wenn sie gekocht hatte und sagte, ihr Sohn müsste ja mal wieder was Anständiges essen.

Ich habe es runtergeschluckt, wenn mein Schwiegervater meine Söhne vor meinen Töchtern vorzog, weil die seinen Namen weitervererben würden .. und mich nur zu Hause bei meinem Ex darüber ausgeheult, dass ich sowas gemein fand.

Wir haben in der Jugend nämich gelernt, die ältere Generation zu respektieren, zu achten und uns auch für sie verantwortlich zu fühlen, egal wie sie gewesen sein mögen.

Heute achten viele Menschen ältere Leute nicht mehr.

Wir Alten kosten zu viel Geld, wir sind nicht mehr leistungsfähig genug ... wir könnten doch auch schnell sterben gehen .. oder etwa nicht?

Es ist die Zeit, die diese Denkweise zustande gebracht hat.

Wir oder unsere Freundin in Bayern sind auch nicht die einzigen alten Leute, denen das so oder so ähnlich geht .. es gibt sehr viele von uns.

Irgendwann habe ich hier mal ein Stück aus einem Text zitiert, der den Inhalt hatte, dass Kinder erst dann wirklich erwachsen geworden sind, wenn sie begriffen haben, dass ihre Eltern ganz normale Menschen mit Fehlern und Schwächen sind und deshalb gar nicht alles richtig machen konnten, denn kein Mensch ist perfelt.

Warum so viele Kinder heute von ihren Eltern erwarten, dass die hätten perfekt sein müssen, ich habe keine Ahnung.

Oder warum wir dann wohl schneller erwachsen geworden sind früher.

Mag sein, weil wir nicht so verweichlicht aufgewachsen sind.

Jürgen sagt immer, sie werden noch lernen, was das heißt, wie sie sich verhalten .. nämlich dann, wenn ihre eigenen Kinder, die dieses Verhalten ja schon gleich von ihnen lernen, weil sie es miterleben, sich höchstwahrscheinlich genauso verhalten werden.

Aber möglicherweise leben wir dann nicht mehr, wenn ihnen das bewusst wird.

Vielleicht liegt der Zeitmangel auch einfach daran, dass es früher keine Smartphones gab.

Diese Dinger müssen jedem jungen Menschen unendlich viel Zeit stehlen.

Nicht jeder technische Fortschritt ist auch immer ein Segen, würde ich mal sagen.

Na ja .. ansonsten war der 1. Advent schöner als vermutet. Nach dem gemütlichen 2. Frühstück bei Kerzenschein war das Wetter draußen fast schön ... wir waren recht lange bei unseren Pferden, es regnete nicht und ab und zu schaute immer mal die Sonne durch die Wolken.

Heute war das Wetter sogar noch viel schöner.

Als ich morgens das Rollo hochzog, schien hell die Sonne ins Schlafzimmer.

Leider sind irgendwie alle Fotos von heute beim Überspielen flöten gegangen. Jürgen hat da was falsch gemacht und beim Versuch, sie wiederherzustellen, hat das auch nicht geklappt.

Also es gab Fotos von Sonnenschein aus meinen Fenstern heute früh .. Fotos von Sonnenschein, als wir zum Einkaufen losfuhren ... Fotos von Sonnenschein,  als wir bei den Pferden waren .. und auch Fotos von einem geradezu blutroten Sonnenuntergang.

Der schöne Sonnenuntergang lässt vermuten, dass morgen die Sonne hier wieder scheinen könnte.

Wir werden uns dran freuen so wie wir uns an den Hoppas und Boomer und an uns selbst freuen, auch wenn es schon genügen würde, wenn da nur ein paar Worte von unseren Kindern kämen .. so simple Dinge wie man mit jedem fast Fremden in jedem sozialen Netzwerk austauscht wie genieß den Sonntag .. hab schöne Vorweihnachtswochen .. ein wenig Anteilnahme .. gar nicht mehr.

Und wenn es gar so viel Anteilnahme wäre wie bei den Menschen aus sozialen Netzwerken, die man besser kennt, die man schon getroffen hat, mit denen man regelmäßig spricht .. die einem ans Herz gewachsen sind, weil man sich seit Jahren mit ihnen austauscht .. das mit Kindern, das hätte schon was.

Aber das wäre vollkommen illulorisch.

Wir sind Eltern, und Eltern sind ja leider oft einfach nur doof und entsetzlich lästig.

Na ja .. unser Weideland weiter unten, wo ich hier gerade zugange war, trocknet auch allmählich ab ... das ist schön.

Wir werden jetzt gleich die letzte Nachtrunde mit dem Boomer laufen.

Was mit uns werden könnte, wenn wir mal zum Pflegefall werden oder gar einer ganz alt von uns alleine übrig bleibt .. darüber sollten wir wohl besser nicht nachdenken.

Solche Gedanken kommen einem so kurz vor Weihnachten aber besonders oft. Ist so.

Trotzdem schreit mich Jürgen heute nicht mehr an, wenn ich sage, lass doch mal über den weihnachtlich beleuchteten Markt oder einen Weihnachtsmarkt laufen.

Wir haben eben gelernt, uns gegenseitig zu genügen, denn das ist mehr als viele Menschen haben, die heute ganz alleine sind.



Das sind die ersten weihnachtlichen Ecken in der Straße, wo wir immer parken.

Demnächst werden wir mal losziehen und irgendwo die vielen schönen Lichter jetzt in der Weihnachtszeit fotografieren.

LG
Renate


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