Samstag, 29. Juni 2019

Ein für Jürgen und mich recht tröstlicher Text

Der Verhaltensforscher Robert Plomin über die Erkenntnisse moderner Genforschung

Klar wird dieser Autor sehr kritisiert.

Er ist Verhaltensforscher und stellt in einem Buch die Behauptung auf, dass wir häufig nur denken, das Verhalter unserer Kinder käme durch unsere Erziehung ...in Wirklichkeit aber sagt er, ist fast alles erblich und von vornherein durch die Gene vorherbestimmt.

Es kommt in dem Text auch eine Passage vor, dass heute so viele Kinder jahrelang den Kontakt zu ihren Eltern abbrechen, weil sie selbst psychische Probleme haben und daran den Eltern die Schuld geben.

Nun .. Jürgen und ich haben auch Kinder, die sich nicht mehr um uns kümmern, obwohl wir beide doch alles getan haben, sie gut zu erziehen, uns auch freuen, dass sie überlebensfähig sind .. aber auch Partner mit Charaktereigenschaften haben, von denen wir uns haben scheiden lassen.

Und manches könnten unsere Kinder auch von denen geerbt haben .. und nicht von uns selbst.

Wie wäre es mal damit?

Ich finde das in Anbetracht der Tatsache, dass ich mich von den eigenen Kindern oft mehr als ungerecht behandelt fühle, sogar etwas tröstlich.

Ich werde Euch unten mal ein paar Passagen aus diesem Beitrag hier reinkopieren .. auch den mit den Kontaktabbrüchen zu den eigenen Eltern, weil denen die Schuld an sonstwas gegeben wird.

Rest einfach selbst lesen.

Textpassagen siehe unter dem Link.

LG
Renate

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Schon bei der Geburt sind Charakter und Begabung vorherbestimmt, sagt der Verhaltensforscher Robert Plomin. Schwer zu glauben? Ein Gespräch über vergebliche Erziehung und die Chancen moderner Genforschung 
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 Robert Plomin: Der Einfluss der Gene wurde jahrzehntelang massiv unterschätzt. Dabei konnten wir schon in den 1970er und 1980er Jahren zeigen, dass Adoptivkinder nicht ihren Adoptiveltern ähneln. Stattdessen gleichen sie den leiblichen Eltern – nicht nur äußerlich, auch in Intelligenz und Charaktereigenschaften, obwohl sie ihnen niemals im Leben begegnet sind. Dazu kommen etliche Studien mit eineiigen Zwillingen, genetischen Klonen. Es gibt Fälle, bei denen diese Zwillinge in getrennten Familien aufwuchsen, aber trotzdem gleiche Charaktereigenschaften aufweisen. Ob wir mutig sind oder nicht, musikalisch oder witzig, empathisch, introvertiert: Wir wissen heute, dass mindestens 50 Prozent jeder Eigenschaft schon bei Geburt in unseren Genen liegt.
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Ich nehme mich aber auch als Ergebnis der  Erziehung und Fürsorge meiner Eltern wahr.

Da muss ich Sie enttäuschen. Ihre Eltern gaben Ihnen als Kind vielleicht Möglichkeiten. Ob Sie diese Möglichkeiten ergriffen haben und wer Sie heute sind, bestimmen aber vor allem die Gene. Erziehung macht Sie im Kern nicht zu dem Menschen, der Sie sind.
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Aber es kommt doch auch auf meine Umwelt an, darauf, wem ich im Leben begegne und welche Chancen ich bekomme.​

Stopp, jetzt vermischen Sie etwas. Im Prinzip ist Umwelt alles, was nicht durch Gene erklärbar ist. Schicksalsschläge, Begegnungen oder Möglichkeiten, die Sie im Leben bekommen. Das Wichtigste bei diesen Faktoren ist, dass allein der Zufall entscheidet, ob sie stattfinden und was das für Folgen für Ihr Leben hat. Eltern sind natürlich auch Umwelt, aber das Wort „Erziehung“ bedeutet, dass man diesen Teil der Umwelt gezielt steuern kann. Erziehungsratgeber gaukeln Eltern vor: Wenn man sich so und so verhält, dann hat das diese und jene Folgen für das Kind. Viele Eltern glauben das. Bis sie das zweite Kind bekommen und feststellen: Trotz gleicher Erziehung kommt ein vollkommen anderer Mensch heraus.
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Warum ist diese Erkenntnis so wichtig? 
Weil es Eltern zerstören kann, wenn sie glauben, für den Charakter oder sogar psychische Krankheiten ihres Kindes verantwortlich zu sein. Früher dachte man, Schizophrenie käme daher, dass die Mutter ihr Kind vernachlässigt hat. Weshalb bei gleicher Erziehung ein Geschwisterkind schizophren wurde und das andere nicht, fragte niemand. Grauenhaft, was das für die betroffenen Mütter bedeutete. Heute weiß man, dass Schizophrenie erblich ist. Abertausende von Müttern wurden vollkommen zu Unrecht beschuldigt.
Oder heute glauben viele Menschen, Eltern wären dafür verantwortlich, wenn ihr Kind zu dick ist. Dabei ist der Body-Mass-Index zu etwa 70 Prozent erblich. Das sieht man an adoptierten Kindern. Obwohl sie im gleichen Umfeld wie ihre Adoptivgeschwister aufwachsen, nähern sie sich meist dem Gewicht der leiblichen Eltern an; nicht nur wegen ihres Stoffwechsels, sondern auch wegen ihres Verhaltens: Sie essen mehr.
Was ist mit üblichen Charaktereigenschaften? Wissbegierde, Ehrgeiz, Witz?
Denken Sie mal an Kinder, die sehr gern lesen. Oft hört man: Die Eltern lesen viel, leben das dem Kind vor, und deshalb liest es dann auch. Dass es auch Kinder gibt, die nicht lesen, obwohl das Haus voller Bücher ist, wird bei dieser Behauptung einfach ignoriert. Das entbehrt jeglicher Evidenz, die man in der Wissenschaft ja sonst überall fordert.
Ich selbst komme aus einer bildungsschwachen Familie. Bei uns gab es keine Bücher, niemand ging studieren. Trotzdem bin ich in die Bibliothek gelaufen, habe eifrig gelernt und es später auf die Universität geschafft. Ganz anders meine Schwester. Sie hat sich schwer mit Lernen getan, meine Eltern mussten ihr bei den Hausaufgaben helfen.

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Denken Sie auch mal an all die Menschen, die jahrelang zur Psychotherapie gegangen sind und in ihrer Vergangenheit nach Ursachen für ihre Depressionen gesucht haben. Ich kenne Menschen, die sprachen über Jahre nicht mehr mit ihren Eltern, weil sie glaubten, die Erziehung sei schuld an ihrem Zustand. Zum Glück ändert sich der Zeitgeist. Auch Psychotherapeuten wissen heute, was viel wichtiger ist, als in der Vergangenheit zu graben: nach vorn zu schauen und mit dem umzugehen, was ist.
Das werden Patienten, die schwere Traumata erlebten, aber nicht so sehen.
Sie argumentieren mit Extremen. Wenn Sie Ihr Kind in einen Schrank sperren und nicht mit ihm reden, hat das natürlich Auswirkungen auf sein Leben. Ich spreche jedoch von Durchschnitten. Von einer bestimmten Bevölkerung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Und da werden die meisten eben nicht misshandelt.
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 Tja .. wir haben unsere Kinder geliebt und auch nicht misshandelt.

Vielleicht begreifen sie das ja nochmal, wenn nicht, müssen wir wohl damit leben, dass sie uns an allem die Schuld in die Schuhe schieben, was in ihrem eigenen Leben falsch gelaufen ist, obwohl wir die gar nicht haben.

LG
Renate

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